Den Großen hätte mer um haue müsse, dann wär et jot jewesen.“ Zum taktischen Vorgehen gab es bei Paul Faßbender und Werner Laufenberg keine zwei Meinungen. Die Betreuer des Fünftligisten Fortuna Köln wissen, dass ein Pferd von vorn aufgezäumt wird. Klare Sache: Ran an das Alphatier, ein, zwei gezielte Treffer und schon hätten sich die Reihen gelichtet. Kurz nach zwei Uhr nachts ging es in der Riesaer Bahnhofsstraße zu wie sonst nur an Reinerts Taktiktisch, Sonntagvormittags im DSF. Aber der Reihe nach: Kurz vor 17 Uhr treffen drei Spieler des Traditionssportvereins Stahl Riesa in der örtlichen Fastfoodrampe die letzten Vorbereitungen, nebenbei werden Scherze gemacht und Kohlenhydrate gebunkert. In der WM-Halle geht es derweil schon hektischer zu: Schließlich hat am Mittag Tasmania Berlin abgesagt. Die sind Titelverteidiger und sollen unterwegs in einen Unfall verwickelt worden sein. Das wird bedauert, was aber viel schwerer wiegt: Mit den Tasmanen fehlt auch der Wanderpokal. Die Ersatz-Trophäe komme aus Dresden, heißt es offiziell.
Die Wahrheit sieht ander Lokalrivalen SC Riesa spielt, hat in der Not geholfen. Weil das wohl nicht an die große Glocke soll, bleibt es bei dem Pokal aus Dresden. Das Turnier beginnt mit Verspätung und in prächtiger Stimmung. Aus Mülltüten haben die Stahl-Fans ein kleines blau-weißes Fahnenmeer gebastelt. Es wird gesungen, impulsiv gesungen und damit das junge Team, das seit der Insolvenz des früheren DDR-Oberligisten erst in den beiden Kreisklassen und nunmehr in der Kreisliga nicht einmal verloren hat, zum Vorrundensieg getrieben. Unterdessen muss ein Ehepaar aus Köln durch den Einlass geschleust werden. Unwissend, dass es bereits im Vorverkauf viermal mehr Anfragen als Tickets gab, waren sie angereist, um nun zu verfolgen, wie die Südstädter im Neunmeterschießen um Platz fünf an der U‑23 des FC St. Pauli scheitern. Untermalt wird das Duell von vereinzelten „Zick, Zack, Zigeunerpack“- und „Ostdeutschland“-Rufen. Bitter.
Die überwiegende Menge interessiert sich allerdings für Fußball. Nicht von Belang, dass die namhaften Turnierteams bestenfalls den zweiten Anzug geschickt haben. Viel wichtiger scheint es, zu demonstrieren, dass Stahl Riesa und der Fußball in der Sportstadt noch am Leben ist. Beweisen können dies am Ende auch die TSV-Kicker, die sich erst im Finale dem 1. FC Magdeburg beugen müssen. Zur After-Show-Party: In deren Rahmen geben inmitten der gemeinsam feiernden Fans und Kicker ein paar Rechtsaußen den Gockel. Die Kölner Betreuer treten daraufhin den geordneten Rückzeug an, vergessen aber in aller Eile die Spieler. Für Letztere organisiert Turnierchef Werner Lukoschek gegen fünf Uhr morgens den Abtransport: „Die waren so blau, die hätten das Hotel nicht mehr gefunden.“
ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWejnrm3sdKtnKubpaV6s7XErJhoa2Vsf3h%2B